Ich wünsche allen ein schönes WE und Frohe Ostern
Das Größte Problem
Es war unheimlich warm Ende Juni, als am späten Freitag Abend mein
Handy anfing zu klingeln. Ich hatte es gekonnt ignoriert und auf
lautlos gestellt. Noch aufgeheizt vom Tag und den damit verbundenen
Nachmittag am See hatte ich mich riesig auf eine schöne Flasche Bier
gefreut.
Die Sonne neigte sich langsam über die Dächer und wir saßen im
kleinen Garten unter der alten Linde. Die Zeit verging wie im Flug.
Wir hatten Besuch und unterhielten uns über Gott und die Welt, es
wurde kühler. Nach einer kleinen Ewigkeit hatten wir den Besuch
verabschiedet und uns ins Wohnzimmer mit einer Flasche Wein zurück
gezogen. Mein Handy fiel mir aus der Tasche
und leuchtete auf, sieben Anrufe in Abwesenheit stand drauf. Die
Nummer kannte ich sehr gut, es war meine Mutter. Ich entschied mich
zurück zu Rufen. „ Du musst kommen. Papa, Mama alles Kaputt!!“
sagte meine Mutter, es hat nicht ein mal geklingelt. Ich musste
Rätsel raten. Nach dem Schlaganfall konnte Sie einfach nicht mehr
wirklich sprechen und ich musste immer überlegen was
Sie nun wollte. Aufgeregt war Sie „ Musst kommen. Alles Kaputt!“
wiederholte Sie immer und immer und immer wieder. Ich hatte Sie auf
morgen getröstet und musste mich erst mal sammeln. Ein schlechtes
Gewissen hatte ich dann schon, ich musste Heim.
Samstag Morgens, elf Uhr einundvierzig. Ich donnerte die A2 in
Richtung Nord-Rhein-Westfalen mit einhundertzwanzig Km/h. Im Radio
lief Innere Sicherheit rauf und runter, doch gedanklich war ich
bereits bei meinen Eltern angekommen. Dreihundert und fünfzig
Kilometer später war es dann soweit, ich war da. Die Fahrt hatte
mich schon gestresst und an meinen Kräften gezerrt, umso größer
war die Freude auf einen anständigen Kaffee. Sie wohnten an einer
Hauptstraße im ersten Obergeschoss, fünfundfünfzig Quadratmeter
und der Flur war bereits sehr verlebt. Fünfundfünfzig Quadratmeter
auf denen meine Oma, meine Schwester, meine Mutter und mein Vater
wohnten. Die Tür hinein auf der linken Seite war die kleine Küche,
es war eher ein kleiner Schlauch an Raum.
Rechts bot sich das relativ normal Große Zimmer, welches Tagsüber
als Wohnzimmer und Abends als Schlafzimmer meiner Oma diente. Hinten
rechts war das Zimmer meiner Schwester und mit circa neun
Quadratmetern auch kein Palast. Hinten Rechts war dann das
Schlafzimmer, in denen meine Eltern schliefen. Sie waren zwar nicht
mehr zusammen aber von dem Zusammenleben hatten
beide etwas. Meine Mutter hatte nach Ihrem Schlaganfall und Ihrer
Rehabilitation keine Wohnung mehr und wusste sowieso nicht wohin sie
sollte, Ihr Freund hatte im Moment keine Verwendung für Sie. Mein
Vater hat sie bei sich aufgenommen um etwas mehr Kapital zu haben und
um der Krankenkasse noch etwas Pflegegeld aus der Nase zu ziehen.
Ich ging also direkt ins Wohnzimmer und bekam einen Kaffee, dann habe
ich mich aufklären lassen was denn nun hier los sei. Meine Oma sagte
mit neutraler Miene: „ Ich bin ein Niemand, ich habe nichts ich bin
nichts. Ich kann mir keine Zigaretten kaufen. Ich komm nicht vor die
Tür und Klamotten kann ich mir auch nicht leisten!“ Das war mir
alles eine Spur zu schnell, ich habe nicht richtig verstanden was Sie
mir mit dem nichts sagen wollte, ich hakte nach: „ Wieso denn
nichts Oma? Du bekommst doch eine gute Rente und die Miete für die
Wohnung hier kann doch durch drei Personen nicht viel Kosten.“
meiner Oma kamen die Tränen. „Junge, dein Vater hat mir den
Personalausweis weg genommen und auch meine Bankkarte. Ich komme hier
aus der Wohnung nicht weg und ich kann mir nicht mal beim Becker
einen Kaffee trinken gehen. Ich habe schon gesagt das ich meine
Sachen wieder haben möchte aber ich bekomme Sie nicht. Ich weiß
nicht mehr weiter.“ und wusch sich die darauf folgenden Tränen
fort. Das musste ich erst einmal Sacken lassen und trank den bereits
kalten Kaffee. Meine Mutter stammelte nur irgendwelche
Sachen dazwischen aber einen ganzen Satz kam nie heraus. Nur: „
Musst Du helfen. Wieder geben. Verrückt. Wahnsinnig.“ aber nichts
was mir weiter helfen konnte. Mein Vater hat sich im Vorfeld schon
ins andere Zimmer gesetzt um den Ärger etwas aus dem Weg zu gehen.
Ich bin also rüber ins Schlafzimmer der Eltern und habe Ihn zur Rede
gestellt: „ Warum hast Du denn Omas Sachen und warum bekommt Sie
diese nicht wieder?“ fragte ich. Er Antwortet sehr bedacht: „ Ach
die spinnt. Ich hatte mal was von der Bank geholt und seit dem will
Sie die einfach nicht wieder haben, aber hier …“ er warf mir die
Papiere einfach so zu „ … hast Du Sie, ich brauche die eh nicht
mehr.“ Ich gab diese meiner Oma wieder und sie umarmte mich. Ich
dachte das jetzt alles Okay ist und besuchte erst einmal alte
Bekannte. Ich hatte meine Leute schon ewig nicht mehr gesehen und
mich bereits am Abend zuvor angemeldet. Außerdem hatten die schon
für etwas THC gesorgt und darauf hatte ich mich gefreut. Erst spät
am Abend ging ich wieder in die viel zu kleine Wohnung
zurück. Meine kleine Schwester hatte Ihr Zimmer für mich geräumt
und so hatte ich einen kleinen Ort für mich. Als ich die Tür
aufschloss merkte ich schon das Knistern. Man konnte die Luft Förmig
schneiden. Meine Mutter saß mit meiner Oma und Schwester in deren
Zimmer, mit einer selbstsicheren Miene. Ich war überzeugt das Sie
sich Sicher gefühlt hatten weil ich da war. Mein Vater saß am Pc im
Schlafzimmer und zog sich mit meinen Erscheinen die Jacke an und war
weg. Zum Glück hatte ich mir ein Bier von unterwegs mit genommen
welches ich mit einer kleinen Tüte zum einschlafen auch genossen
hatte. Am nächsten Tag hatte ich mir dann weiter ein Bild
von der Situation machen wollen, doch in zwei Tagen war da nicht viel
zu machen. Meine Oma ist mit meiner Schwester und meinem Vater
zusammen gezogen damit Sie nicht alleine waren, damit es Günstiger
ist. Meine Mutter hatte in Bonn einen Schlaganfall erlitten, sie
wollte sich gerade eine neue Existenz aufbauen und mit Ihrem neuen
Lebensgefährten durchstarten. Sie kam aus der Uniklinik Bonn direkt
in eine Reha und von dort aus wusste Sie nicht wohin. Der
Lebensgefährte ist dem Alkohol noch mehr als zuvor verfallen und
hatte für meine behinderte Mutter keine Verwendung. Mein Vater nahm
Sie auf, wenn auch nicht uneigennützig. Sonntag Abend bin ich die
dreihundert und fünfzig Kilometer zurück, mit gemischten Gefühlen.
Die ganze Fahrt über hatte ich einen flauen Magen und fühlte mich
etwas hilflos, ich wusste damit nichts an zu fangen. Am nächsten Tag
fuhr ich ins Büro. Ich hatte mich von meiner Chefin für einen Monat
freistellen lassen um zurück zu fahren und die Dinge zu klären wo
die Hilfe benötigt wird. Am Dienstag morgen hat mich dann mein Vater
mit meiner Tante abgeholt, den Wagen habe ich bei meiner Freundin
gelassen. Sie wusste auch nichts von meiner Abreise aber sie war auch
nie sonderlich an meiner Familie interessiert, ich wollte es dennoch
regeln. Ich hatte Ihr noch eine sms geschrieben in der stand wie sehr
ich sie Liebe und danach habe ich das Handy ausgestellt. Die fahrt
über war ich sehr traurig und froh angekommen zu sein, ich habe erst
einmal meinen Kopf aus gestellt. Am Tag darauf habe ich Ihr die
Situation erklären wollen, doch sie war zu Sauer. Die Woche über
bekam ich schon mehr von dem Alltagsgeschehen mit, Briefe und
Mahnungen trafen ein. Weiße Briefe gelbe Briefe bunte Briefe, alle
samt an eine Person gerichtet. Ich hatte meine Oma darauf
angesprochen und Sie erklärte mir dann: „ Junge. Dein Vater hat
auf meinen Namen Telefonverträge und auch Bestellungen im
Versandhaus getätigt.“ Sie brauchte gar nicht weiter sprechen,
jetzt wusste ich warum er die ganze Zeit die Unterlagen meiner Oma
hatte. Wir habe zunächst damit begonnen mal die Briefe zu sammeln
und vor meinen Vater ab zu fangen, was er sonst jeden Tag gemacht
hatte. War Er der Einzige der an den Briefkasten gegangen war. Zum
Ende der Woche dann kam ein Schreiben der Krankenversicherung meiner
Mutter, mein Vater hatte die Pflegestufe für sie beantragt. Meine
Oma sagte dazu: „ Das gleiche hat er bei mir auch Versucht. Ich
sollte den Leuten sagen das es draußen schneit obwohl die Sonne
scheint und so. Ich könne nicht mehr alleine zur Toilette gehen und
so!“ fuhr sie fort. Ich war perplex, mein Vater ist so ein Gauner
dachte ich mir. Meine Wut auf Ihn wurde immer größer, von Tag zu
Tag. Im gleichen Moment hat sich der Respekt ihm gegenüber Richtung
null bewegt, ich war verletzt und traurig einen solchen Vater zu
haben. Nur ein Paar Tage später kam ein Brief der Sterbeversicherung
meiner Oma. Mein Vater hatte die gekündigt und sich das Geld
auszahlen lassen. Ich ging ins Schlafzimmer, wo er saß, und habe zum
ersten Mal in meinem Leben meine Hand gegen meinen Vater gerichtet
und gesagt.: „ Ich würde
Dir jetzt so gerne eine Klatschen!“ , er sah mich von unten hinauf
mit ernster Miene an und sagte leise: „ Dann musst Du es machen!“
. Meine Hand fuhr aus und prellte mit voller Wucht auf den
Schreibtisch. Ich drehte mich um und ging. Ich habe mir etwas zu
rauchen und ein Paar Bierchen besorgt, langsam wurde mein Geld eng.
Zuhause war Eiszeit angebrochen. Meiner Freundin habe ich offenbart
das ich nicht wieder zurück kommen würde und auch meiner Chefin
sagte ich es mit der Bitte gekündigt zu werden, tat Sie nicht. Ich
habe also nach der Kündigung Arbeitslosengeld
beantragt und wurde sechs Wochen gesperrt. Die Fronten waren geklärt,
Grüppchen Bildung. Da waren meine Oma, meine Mutter und ich und auf
der anderen Seite mein Vater. Meine Schwester war irgendwo in der
Mitte aber mehr zu meinem Vater hingezogen, war der doch alleine.
Doch da konnte ich jetzt keine Rücksicht drauf nehmen. In ein Paar
Tagen würde mein Bruder aus dem Gefängnis kommen und ohne Ahnung wo
er hin soll. Ich habe mir wieder ein mal etwas zu rauchen geholt und
ein Paar Bierchen. Ich habe das Gespräch mit Oma und meiner Mutter
gesucht und wir haben beschlossen das er zu uns kann. Es war keine
Selbstverständlichkeit denn in Vergangenheit hatte er unsere Hilfe
mit Füßen getreten. Ich wusste nicht ob ich dieser Herausforderung
schon
mit einundzwanzig gewachsen war, doch ich wollte es versuchen. Als
mein Bruder dann “raus“ war habe ich mich schon sehr gefreut und
auch diesen Tag etwas zu rauchen und ein Paar Bierchen organisiert.
Ich war immer sehr froh meinen Kopf ausschalten zu können. Das die
Wohnung zu fünft schon viel zu klein war war sicher, zu sechst ging
es gar nicht. Ich beschloss das sich das ändern muss. Ich nahm meine
Mutter, meine Oma und meinen Bruder an die Hand und ging auf Wohnung
suche. Vier Zimmer sollte sie haben, bezahlbar sein und sonst hatten
wir keine Ansprüche. Schon die Kaution zu stemmen war eine
Mammut-Aufgabe,denn ich war noch gesperrt und bereits im dicken
Minus, mein Bruder hatte zwar Resozialisierungsgeld bekommen doch er
besaß auch nur eine Hose, sonst nichts. Das wiederum hieß dass Oma
und Mutter es finanziell dann den ersten Monat bezahlen mussten, was
sie auch machten. Wir haben uns viele Wohnungen angeschaut. Manche
haben uns nicht gefallen und in manchen Fällen haben wir den
Vermieter nicht gefallen. Eine Oma, eine Kranke Frau, jemand der
frisch auf freien Fuß ist und noch jemand dabei. Nach langem suchen
haben wir endlich einen Vermieter gefunden der uns eine vier Zimmer
Wohnung vermietet hat. Die Kaution konnten wir abstottern und so
zogen wir am gleichen Tag dort ein. Wie haben die Schränke und das
Bett von Oma ins neue Zimmer gebracht und da saßen wir nur, die
anderen drei hatten außer ein Paar Decken zum schlafen nichts.
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